Es handelt sich um einen Beschluss vom 28. April 2011 zum Aktenzeichen 1 BvR 1409/10 Die Regelung in der Satzung der VBL wurde als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG angesehen. Die VBL hatte argumentiert, dass magels Abführung von Beiträgen während Zeiten des Mutterschutzes kein Anspruch begründbar sei. Die Anerkennung dieser Zeiten kann zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 60 Monaten beitragen und dadurch erst den Rentenanspruch begründen.
Hierzu heißt u.a. es wörtlich im Urteil:
1. Die Zusatzversorgung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten nach der Satzung der VBL ist am Grundrecht auf Gleichbehandlung zu messen. Sie ist zwar privatrechtlich ausgestaltet und findet Anwendung auf die Gruppenversicherungsverträge, die die an der VBL beteiligten öffentlichen Arbeitgeber mit der VBL zugunsten ihrer Arbeitnehmer abschließen. Die Einordnung der Satzungsbestimmungen als privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist verfassungsrechtlich auch unbedenklich (vgl. BVerfGE 124, 199 <218>; BVerfGK 11, 130 <140>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. April 2008 – 1 BvR 759/05 -, DVBl 2008, S. 780). Jedoch nimmt die VBL als Anstalt des öffentlichen Rechts eine öffentliche Aufgabe lediglich in privatrechtlicher Form wahr (vgl. BVerfGE 124, 199 <218>; siehe auch BVerfGE 98, 365 <393>; 116, 135 <153>). Daher ist die Satzung der VBL an die Beachtung des Gleichheitsgrundrechts gebunden.
2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG konkretisiert und verstärkt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Geschlecht darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>; 97, 35 <43>). Es kommt auch nicht darauf an, dass neben dem Geschlecht weitere Gründe für die Ungleichbehandlung maßgeblich waren (vgl. BVerfGE 89, 276 <289>).
An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die nur entweder bei Männern oder Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an zwingenden Gründen für eine Ungleichbehandlung, lässt sich diese einzig im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren (vgl. BVerfGE 85, 191 <207>; 92, 91 <109>).
a) Soweit eine Regelung an Schwangerschaft oder Mutterschaft anknüpft, differenziert sie unmittelbar nach dem Geschlecht. Es handelt sich nicht etwa um eine neutrale Vorschrift, die sich eventuell mittelbar ganz überwiegend auf Frauen oder ganz überwiegend auf Männer nachteilig auswirkt. Vielmehr trifft eine solche Regelung normativ kategorial ausschließlich Frauen (vgl. klarstellend § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG; für das Recht der EU Art. 2 Abs. 2 Buchstabe c der Richtlinie 2006/54/EG; EuGH, Urteil vom 11. November 2010, Rs. C-232/09, Danosa; Urteil vom 8. November 1990, Rs. C-177/88, Dekker, Slg. I-1990, 3941 <3973>; Urteil vom 27. Februar 2003, Rs. C-320/01, Busch, Slg. I-2003, 2041 <2075>; Urteil vom 29. Oktober 2009, Rs. C-63/08, Alabaster). Eine solche Regelung berührt zwar auch Art. 6 Abs. 4 GG als Grundrecht auf Schutz und Fürsorge von Müttern durch den Staat. Art. 6 Abs. 4 GG enthält allerdings in erster Linie einen positiven Regelungsauftrag, der Eingriffe in Rechte Dritter legitimiert (vgl. BVerfGE 109, 64 <84 ff.>). Der Schutz von Müttern vor geschlechtsbezogener Diskriminierung ist im besonderen Gleichheitsrecht des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verankert.
b) Die Anrechnung von Mutterschutzzeiten als Umlagemonate für die Zusatzversorgung der VBL bestimmt sich gemäß § 29 Abs. 10 VBLS a.F. nach der Regelung des § 29 Abs. 7 VBLS a.F., die durch § 8 Abs. 5 Versorgungs-TV inhaltsgleich vorgegeben wird. § 29 Abs. 7 VBLS a.F. statuiert eine Ungleichbehandlung von Müttern in zweifacher Hinsicht.
In § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. wird als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt der steuerpflichtige Arbeitslohn definiert; Mutterschaftsgeld ist als Lohnersatzleistung nach § 3 Nr. 1 Buchstabe d EStG jedoch steuerfrei gestellt. Der Ausschluss von Zeiten des Mutterschutzes aus der Wartezeitberechnung nach § 29 Abs. 7 Satz 1 VBLS a.F. stellt folglich eine Ungleichbehandlung von Frauen mit Mutterschutzzeiten gegenüber männlichen Arbeitnehmern dar, deren Erwerbsbiografien im öffentlichen Angestelltenverhältnis nicht durch die gesetzlich zwingend vorgegebenen Mutterschutzzeiten unterbrochen wurden und auch nicht werden können. Frauen, die Mutterschutz in Anspruch genommen haben und den Beschäftigungsverboten der § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG unterfallen, erwerben, wenn sie – wie die Beschwerdeführerin – aufgrund ihrer Mutterschutzzeiten die Wartezeit des § 38 Abs. 1 VBLS a.F. nicht erreichen, keinen Anspruch auf Versicherungsrente.
Zudem liegt eine Ungleichbehandlung von Frauen in Mutterschutz hier auch gegenüber denjenigen männlichen und weiblichen Versicherten vor, die Krankengeld und einen (im Verhältnis deutlich geringeren) Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers erhalten. Zwar ist das von der Krankenversicherung gezahlte Krankengeld wie das Mutterschaftsgeld nach § 3 Nr. 1 EStG steuerfrei. Doch sind die Krankheitszeiten gemäß § 29 Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F., der auf dem wortgleichen § 5 Abs. 5 Satz 5 Versorgungs-TV beruht, auf Basis des (fiktiven) Urlaubslohns, also praktisch in Höhe des normalen Arbeitsverdienstes als versorgungspflichtiges Entgelt anzurechnen (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Satzung der VBL, § 29 B <Dezember 2001>, Rn. 39); in den Zeiten der Entgeltfortzahlung sowie des Bezugs eines Krankengeldzuschusses werden auch Umlagen entrichtet, die Krankheitszeiten bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente also voll als umlagefähige Monate angerechnet. Für den Mutterschutz findet sich keine entsprechende Regel.
c) An das Geschlecht anknüpfende differenzierende Regelungen sind nach bisheriger Rechtsprechung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nur vereinbar, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind. Fehlt es an zwingenden Gründen für solche Differenzierungen, lassen sie sich nur noch im Wege einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht legitimieren (BVerfGE 85, 191 <207 ff.>; 92, 91 <109>).
Die Regelung der VBLS zur Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten aus der Wartezeitberechnung für den Erwerb einer Rentenanwartschaft gilt zwar einer geschlechtsspezifischen Problemstellung, stellt jedoch eine Ungleichbehandlung dar, die nicht zwingend erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Leitentscheidung zum Mutterschutz ausgeführt, dass dessen Ausgestaltung sich an der Gleichberechtigung orientieren muss (vgl. BVerfGE 109, 64 <89> m.w.N.; auch BVerfGE 87, 1 <42>). Auf eine tatsächliche Gleichstellung zielt die Freistellung der Arbeitgeber von der Umlage für Mutterschutzzeiten. So wird versucht, eine mögliche negative Steuerungswirkung der Belastung mit den Kosten des Mutterschutzes für Unternehmen durch ein Ausgleichs- und Umlageverfahren zu verhindern (vgl. BVerfGE 109, 64 <90>). Der Gesetzgeber verfolgt also ein verfassungsrechtlich vorgegebenes Ziel, wenn er den Mutterschutz umlagefrei stellt, denn täte er dies nicht, wäre ein Anreiz für Arbeitgeber vorhanden, Frauen in gebärfähigem Alter nicht zu beschäftigen. Diese Systementscheidung darf aber nicht über daran anknüpfende Regeln wie die der VBLS a.F. zu Lasten von Müttern gehen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 1. Juli 2010, Rs. C-194/08, Gassmayr; Urteil vom 13. Januar 2005, Rs. C-356/03, Mayer). Zwar steht es dem Gesetzgeber ebenso wie der VBL frei zu entscheiden, wie genau die Lasten des Mutterschutzes verteilt werden. Jedoch rechtfertigt dies keine Diskriminierung von Müttern durch die Hintertür.
Für die hier entscheidungserhebliche Regelung der VBLS a.F. zum Mutterschutz sind auch sonst keine sachlichen Gründe erkennbar, die eine Benachteiligung von Müttern rechtfertigen könnten. Insbesondere ist die Anrechnung von Mutterschaftszeiten bei Bezug einer Versorgungsrente im Rahmen der Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit nach § 42 Abs. 2 Buchstabe a VBLS a.F. in Verbindung mit § 54 Abs. 1 und 3, § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zur Hälfte nicht geeignet, die Nichtberücksichtigung für die Wartezeit zu legitimieren. Vielmehr stellt auch diese Halbanrechnung Mütter schlechter als diejenigen, die einen Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers beziehen, da deren Zeiten voll als Umlagemonate angerechnet werden. Zudem gilt die hälftige Anrechnung auch nur für die Versorgungsrente, käme also von vornherein für die Beschwerdeführerin nicht in Betracht, die lediglich einen Anspruch auf Versicherungsrente geltend macht.
3. Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG führt dazu, dass die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung ihrer Mutterschutzzeiten im Rahmen der Berechnung ihres versorgungspflichtigen Entgelts und der zurückgelegten Umlagemonate nach § 29 Abs. 7 und Abs. 10 VBLS a.F. verlangen kann. Entsprechend sind diese Zeiten auf die Wartezeit nach § 38 Abs. 1 VBLS a.F. anzurechnen.
a) Verstoßen Allgemeine Versicherungsbedingungen – wie hier in Form der Satzung der VBL – gegen Art. 3 GG, so bewirkt dies nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung der Zivilgerichte die (teilweise) Unwirksamkeit der betroffenen Klausel. Hierdurch entstehende Regelungslücken können im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden (vgl. BVerfGE 124, 199 <233 f.>; BGHZ 174, 127 <175 ff.>). Zwar führt der gleichheitswidrige Ausschluss von einer Vergünstigung dann nicht notwendigerweise dazu, dass dem Betroffenen ein Anspruch auf Gewährung der Vergünstigung zusteht. Das gilt insbesondere, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, um eine verfassungsgemäße Regelung zu erzielen. Insofern können die für Gleichheitsverstöße des Gesetzgebers entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerfGE 82, 126 <154 f.>; 103, 225 <240>; 107, 27 <57>; 120, 125 <167>). Etwas anderes gilt aber, wenn der Gleichheitsverstoß nur durch eine Ausdehnung der begünstigenden Regelung auf die ausgeschlossene Gruppe beseitigt werden kann (vgl. BVerfGE 29, 283 <303>; 55, 100 <113 f.>; 92, 91 <121>). So liegt der Fall hier. Eine Gleichbehandlung der Versicherten, die während ihrer Versicherungszeiten Mutterschutz in Anspruch genommen haben, und denjenigen, für die während ihrer Krankheit gemäß § 29 Abs. 1 und Abs. 7 Satz 5 VBLS a.F. von ihren Arbeitgebern Umlagen entrichtet worden sind, lässt sich nachträglich nur dadurch erreichen, dass die Mutterschutzzeiten als Umlagezeiten angerechnet werden.
b) Bei einem Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht stellt sich grundsätzlich die Frage nach einer zeitlichen Begrenzung (vgl. BVerfGE 121, 241 <266>). So kann das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung einer verfassungswidrigen Norm zum Beispiel anordnen, wenn dies aus Gründen einer geordneten Finanz- und Haushaltsplanung geboten ist oder wenn die Verfassungslage bisher nicht hinreichend geklärt war und dem Gesetzgeber aus diesem Grund eine angemessene Frist zur Schaffung einer Neuregelung – auch für Tatbestände in der Vergangenheit – zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 120, 125 <168> m.w.N.). Entsprechend kann auch bei einem Grundrechtsverstoß durch die Ausgestaltung von Versicherungsbedingungen im Rahmen einer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, die auf der Satzung einer öffentlichen Anstalt beruht, eine zeitliche und sachliche Beschränkung der Folgewirkungen zulässig und geboten sein, wenn ansonsten eine schwerwiegende Störung des finanziellen Gleichgewichts im Versicherungssystem zu befürchten wäre (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Mai 2001, Rs. C-262/88, Barber, Slg. 1990 I-1889 <1955>). Dies folgt bereits aus der Schutzpflicht gegenüber den Grundrechtspositionen anderer Versicherter aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Von der Gefahr einer derartigen Störung kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden. Eine Anrechnung von Mutterschutzzeiten, die auch schon vor dem 17. Mai 1990 in Anspruch genommen wurden, stellt jedenfalls dann keine echte rückwirkende Regelung dar, wenn der Versicherungsfall wie bei der Beschwerdeführerin bislang noch nicht eingetreten ist und Ausschlussfristen der Geltendmachung ihres Anspruchs nicht entgegenstehen. Denn die ausgezahlte Rente wird erst mit Eintritt des Versicherungsfalls berechnet (vgl. §§ 33 ff. VBLS). Auch sonst ist die Gefahr einer Störung des finanziellen Gleichgewichts der Zusatzversorgung durch die Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten der Versicherten nicht ersichtlich. Das gilt auch, weil wegen der Ausschlussfristen in der Satzung der VBL eine rückwirkende Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten nur sehr begrenzt in Betracht kommen dürfte.“