Sind die Hartz IV Sätze verfassungsgemäß ?

MIT IHRER REVISION MACHT DIE KLÄGERIN GELTEND, DAS EXISTENZMINIMUM WERDE DURCH DEN NEUEN REGELBEDARF NICHT GEWÄHRLEISTET.

Hartz IV Sätze verfassungsgemäß – Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bleiben rechtshängig

Bundessozialgericht – B 14 AS 153/11 R – vom 12.7.2012

Dieses Verfahren hatte die Höhe der Regelsätze zum Gegenstand. Dazu heißt es auf der Webseite des BSG:

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1.11.2010 bis zum 30.4.2011. Sie hält insbesondere die Festsetzung der Regelleistung für Erwachsene für die Zeit seit dem 1. Januar 2011 für verfassungswidrig.

Die im Jahr 1958 geborene erwerbsfähige Klägerin lebt allein in einer Wohnung im Rhein-Neckar-Kreis. Sie verfügt weder über Einkommen noch über Vermögen und bezieht seit dem 1.1.2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Aufgaben nach dem SGB II nahmen bis zum 31.12.2011 die Agentur für Arbeit (AA) Weinheim und der Rhein-Neckar-Kreis getrennt wahr; seit dem 1.1.2012 ist das Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis (im Folgenden: Beklagter) als gemeinsame Einrichtung zuständig. Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin bewilligte die AA einen Regelbedarf in Höhe von monatlich 359 Euro für die Zeit vom 1.11.2010 bis zum 30.4.2011.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat die AA ihre Ausgangsentscheidung abgeändert und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 364 Euro für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.2011 bewilligt; die Bedarfe für Unterkunft und Heizung wurden vom kommunalen Träger abgedeckt. Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision „betreffend die Höhe des Regelbedarfes ab 1.1.2011“ zugelassen. Nach Auffassung des Landessozialgerichts sind die ab dem 1.1.2011 geltenden Regelbedarfe, die mit Bescheid vom 26.3.2011 bewilligt worden seien, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat habe in Anwendung der durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 9.2.2010 aufgestellten Grundsätze keine Bedenken, dass die maßgebliche Vorschrift des § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II i.d.F. vom 29.3.2011 den Vorgaben des Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG entspreche.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Existenzminimum werde durch den neuen Regelbedarf nicht gewährleistet. Sie habe ihre Bedarfsunterdeckung konkret nachgewiesen. Zwar dürfe der Gesetzgeber grundsätzlich Leistungen pauschalieren, die für das Existenzminimum notwendigen Güter und Dienstleistungen müssten jedoch marktgerecht bewertet werden. Das sei zum einen nicht der Fall, weil der Neuberechnung des Regelbedarfes keine aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zugrunde gelegt worden seien. Das Ministerium habe eine Schätzung des „regelsatzrelevanten Betrages“ vorgenommen und angeblich 2008 als Bezugsjahr festgelegt. Tatsächlich werde die statistische Datenerhebung auf das Jahr 2013 verschoben. Zum anderen seien die Werte vermutlich freihändig gesetzt. Die Einzelleistungen seien von 128 auf 71 zusammengestrichen worden. Auch wenn angeblich 100% gewährt werden würden, seien weiterhin Abschläge in den einzelnen Abteilungen vorgenommen worden. Die Bedarfsunterdeckung werde dadurch verschärft, dass Einmalanschaffungen abgeschafft worden seien. Zudem fehle ein Ausgleich für die Mehrwertsteuererhöhung von 16% auf 19%.

SG Mannheim – S 1 AS 38/11 –
LSG Baden-Württemberg – L 12 AS 1077/11 -“

Hartz IV Sätze verfassungsgemäß – Ergebnis der Verhandlung: 


Die Revision der Klägerin ist nur für die Zeit vom 1.1. bis 30.04.2011 zulässig. Für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2010 ist sie unzulässig, weil das LSG die Revision nur für die Zeit ab 1.1.2011 zugelassen und die Klägerin insoweit keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Der Tenor des angefochtenen Urteils war aus verfahrensrechtlichen Gründen neu zu fassen, weil das LSG über den nach § 96 SGG einbezogenen Verwaltungsakt vom 26.3.2011 auf Klage und nicht auf Berufung hin zu entscheiden hatte.

In der Sache ist die Revision der Klägerin, soweit sie zulässig ist, unbegründet. Es bestand kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 19 Abs 1 Satz 1, § 20 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB II (neue Fassung) mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG einzuholen. Die Höhe des Regelbedarfes für Alleinstehende ist vom Gesetzgeber für die Zeit ab 1.1.2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Die in Teilen des Schrifttums sowie im Vorlagebeschluss des SG Berlin vom 25.4.2012 gegen die Verfassungsmäßigkeit vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen. “

Es sind noch weitere Verfahren rechtshängig. Rechtsmittel sollten nicht zurückgenommen werden!

Die Verfahren beim Bundesverfassungsgericht bleiben ebenfalls rechtshängig.

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